http://www.sekten.ch/ex-site/texte/sloterdijk.htm
out of an interview:
Peter Sloterdijk: Wichtig ist, dass Menschen miteinander in irgendeine Art von heilender Klausur gehen, dass sie miteinander eine kleine Verschwörung eingehen, dass sie sich zusammentun wie zwei Leute, die sagen: So verrückt wie wir sind, können andere für die Dauer unserer Beziehung nie werden. Wir leben für eine Weile als Verschworene, exterritorial gegenüber dem Rest der Welt, im Lande "Wir", und regenerieren uns dort; basta. Und das funktioniert. Menschen sind Ergänzungstiere. Sie können nicht überleben in der Zuschreibung, die ihnen die individualistische Basisideologie der modernen Welt angedeihen lässt. Menschen können nicht wirklich das werden, was die individualistische Ideologie aus ihnen machen möchte. Es gibt keine Autonomie, selbst ob es Erwachsenheit im wahrsten Sinne des Wortes gibt, ist problematisch. Es gibt keine echte Unabhängigkeit, und selbst wenn es sie gäbe, wäre sie nicht wirklich wünschenswert. Menschen sind immer Zwillinge, kennen aber meistens das andere, ergänzende Individuum nicht, besetzen aber die Rolle oder den Platz des anderen im Verlaufe ihres Lebens mit verschiedenen Gesichtern, und wenn sie bei diesen Besetzungen das richtige Casting betreiben, geht's ihnen besser. Bei der Besetzung der Zwillingsrolle, des wesentlichen inneren anderen, entscheiden sie über das, was aus ihnen selber wird. Ständige Fehlbesetzungen an dieser Stelle, ständige Unterbesetzungen dieser Position, führen zu menschlichen Verkümmerungen. Man kann natürlich diese Rolle auch mit einem Dackel besetzen, sogar mit einer Whiskeyflasche kann man sie besetzen; vom leblosen Ding bis hin zum Gott des heiligen Augustinus, kann man diese Position mit eigentlich fast jeder Grösse ausfüllen. Je nach dem, wer dort als Gegenüber gewählt worden ist, in Resonanz darauf bildet sich das eigene innere Selbst. Das halte ich für ein Grundgeheimnis des psychologischen Feldes, diese Resonanznatur zwischen einem Individuum und seinem Zwilling/Zweiling. So wie diese Resonanz ausfällt, gelingt die Existenz der Person. Mir scheint, das ganze therapeutische Feld lasse sich gut rekonstruieren von einer solchen Beschreibung her. Der Therapeut ist so gesehen eine optionale Besetzung dieser freien Position. Wenn er das gut macht, wenn er sich für eine Weile als ein hinreichend guter Zwilling benimmt, das heisst, wenn er diskret und auch fördernd genug ist, dann gedeiht auch das Subjekt.
http://www.zeit.de/1983/25/der-krieg-in-uns/seite-4
Peter Sloterdijk, in:
"Kritik der zynischen Vernunft“
„Die Atombombe ist der wirkliche Buddha des Westens, eine perfekte, losgelöste, souveräne Apparatur. Unbeweglich ruht sie in ihren Silos, reinste Wirklichkeit und reinste Möglichkeit. Sie ist der Inbegriff der kosmischen Energien und der menschlichen Teilhabe an diesen, höchste Leistung des Menschenwesens und dessen Zerstörerin, Triumph technischer Rationalität und deren Aufhebung ins Para-Noetische. (...) Unendlich ist ihre Ruhe und ihre Ironie. Ihr ist es gleich, wie sie ihre Mission erfüllt, ob im stummen Abwarten oder als Feuerwolke; für sie zählt der Wechsel der Aggregatzustände nicht. Wie beim Buddha ist alles, was zu sagen wäre, durch ihr bloßes Dasein gesagt. Die Bombe ist keine Spur böser als die Wirklichkeit und um kein Haar destruktiver als wir. Sie ist nur unsere Entfaltung, eine materielle Darstellung unseres Wesens. Sie ist bereits als Vollkommenes verkörpert, während wir im Verhältnis zu ihr noch gespalten sind. Angesichts einer solchen Maschine sind nicht strategische Erwägungen am Platz, sondern ein großes Hinhorchen. Die Bombe fordert von uns weder Kampf noch Resignation, sondern Selbsterfahrung. Wir sind sie.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Zynismus
"Peter Sloterdijk schrieb in seiner Abhandlung Kritik der zynischen Vernunft" 1983, dass „Interaktionen von nicht entspannbaren Subjektivismen“ die „kommunikative Vernunft" durch „Kommunikationsvortäuschungen ihren Privatbedingungen unterwerfen“. Kommunikationsmangel, Kommunikationsvortäuschung und Kommunikationsverweigerung seien „geradezu die Kennzeichen des modernen Machtzynismus, der Werte wie Liebe, Wahrheit, Authentizität“ seinem „Macht- und Profitwillen“ unterordnet."