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Thursday, March 1, 2007

Meine Mutter, meine Schwester, meine Verwandten

Na, das gibt Ärger. Es ist sicher vorsichtiger, nichts über erkennbare Personen zu verfassen. Da meine Mutter 82 Jahre alt ist, nehme ich aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an, dass sie nicht morgen am Internet sitzen wird. Bei ihr weiß man nie. Mit künstlichen Kniegelenken links und rechts fährt sie in einem Augenblick nach Südtirol, den anderen zu einem Flohmarkt hier, einem Museum dort, einer Barockkirche woanders, zu einem Japanischkurs am Montag, zu einem Hausbesuch bei ihren Kindern am Dienstag, nach Hamburg am Mittwoch. Sie kommt zur Tür herein, und mit ruckartigen kleinen starren Bewegungen des Kopfes und Nackens richtet sie ihre Augen einmal im Raum herum, fällt ihr endgültiges Urteil zum Zustand, zur Farbabstimmung, räumlichen Aufteilung und Atmosphäre, bemerkt, dass ihre Geschenke nicht auffindbar sind, sagt, "ich kann nicht lange bleiben" und "wo hast du diese Vase her" und "was ist das für ein Hemd", alles in einem Satz, behält ihren Mantel an, egal ob warm oder kalt, zieht Zeitungsausschnitte und Merianhefte aus ihrer Tasche, und schon etwas heiser verspricht sie "und das hab ich dir mitgebracht, du undankbarer Sohn", und weg ist sie. Eine ehemalige Lehrerin, die nach einer kurzen und brutalen Zensur anhand rein ästhetischer Richtlinien ihre Umwelt mit absoluten Vorurteilen belegt. Ihr bleibt nur der Weg in den Rückzug, aus dem heraus sinngemäss kein Fortschritt zu erwarten ist. Wir wollen sie in Ruhe lassen. Meine Schwester hat heute eine Telefonsuchaktion nach meiner Mutter gestartet. Bei ebay könnte ich mir eine Mutterauktion vorstellen, ein Umtausch erscheint ausgeschlossen. Vielleicht meldet sich jetzt jemand?

3 comments:

Anonymous said...

Ja, wirklich, mein Schreibtischstuhl vibrierte bei dem Absatz "Meine Mutter ..."

Anonymous said...

Lieber Blog-Verfasser,
hochverehrter Literat!

ich war neulich zu erschöpft, um noch gebührend die erwünschten Lobenshymnen auf Ihre Ihnen sicherlich und eigentlich zur Genüge bekannte facettenreiche Wortgewalt zu singen. Sollten Sie in Noch-Ermangelung eines ehrfürchtig darniederknieenden, vor literarischer Sachkenntnis triefenden Publikums die Anbetung eines simplen, durchs Leben dümpelnden Ersatzgroupies wünschen, werde ich mich ohne Frage – soweit ich gerade physisch und geistig in der Lage bin- für Huldigungen jeglicher Art zur Verfügung stellen.
Allerdings möchte ich vorab darauf hinweisen, dass meine Bodenhaftung um die Mittagszeit noch dergestalt ist, dass ich nicht in der Lage bin, SMS zu lesen, die aus ganzen Sätzen bestehen.



P.S. Ich wollte mit meiner unqualifizierten Bemerkung von neulich auf gar keinen Fall Ihre höchst privaten, höchst individuellen und einzigartigen geistig-philosophisch-biographischen kreativen sprachlichen Höhenflüge mit irgend etwas GLEICHsetzen. Lediglich wagte ich es anzumerken, dass diese in meinem durchaus simpler gestrickten weiblichen Geiste (sofern man bei mir überhaupt davon sprechen möchte) höchstenfalls- ähnlich dem längst verklungenen Nachklang eines wehmütig ausschwingenden hauchzarten Tones der chinesischen Harfe –Erinnerungen an von mir gelesenen aus der lateinamerikanischen Literatur stammenden hochkarätigen Werken surrealistischen Gepräges anklingen ließen (ausführlichere Debatten hierüber lehne ich aus nackter Furcht vor möglichen schweren familiären Zerwürfnissen entschieden ab) In der Hoffnung, eventuelle Verstimmungen hiermit besänftigt zu haben, bitte ich nochmals nachhaltig, bei meinen plumpen, unprofessionellen Urteilen mildernde Umstände walten zu lassen.

Das um Gnade winselnde einfältige Ersatz-groupie der Künstlerseele von Dr. Conrad Feder

Anonymous said...

hervorragend getroffen theophrastus....deine tochter