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Wednesday, March 14, 2007

Herr wirf das Gehirn herunter

Auf Schwäbisch sagt mein Kollege R.H. immer: "Herr, schmeiss s'Hira ra"!

Ich habe mit einem Patienten gesprochen, der auch eine sterbenskranke Frau hat. Es sind die diesselben Gefühlsschwankungen, Schuldgefühle, leben wollen, sich lösen wollen, Sehnsüchte. Es ist diesselbe Einsamkeit.

Jetzt ist meine Frau auf dem Weg der Besserung, und ich freue mich wahrhaftig für Sie. Sie wird sicherlich bald einmal nach nun über drei Monaten irgendwann krank zurück kommen, Ansprüche an mich stellen, mich brauchen. Ich weiss nicht, ob ich dem gewachsen sein werde. Ich weiss nicht, wieviel Liebe und Zuneigung ich geben und vermitteln kann.
Ich finde mich in einer Situation, in der ich Zuwendung brauche.

Auch wenn ich in ihre Augen blicke, diese kühn hellwach träumenden ewig kämpferischen Falkenaugen, ich kann die Vergangenheit nicht zum Jetzt machen. Es fällt mir oft alles schwer, zwischen weinen wollen und weg gehen wollen zu Sehnsucht und wieder haben wollen.

Die Trauer kommt nicht nur nach dem Tod oder nach einem Verlust, die Trauer fängt bei einem bewussten Leben viel früher an.


Die Japaner sagen, "im Anfang des Kennenlernens ist der Anfang des Abschieds."

Ich bin immer noch nicht über V. hinweg. Ich habe mich still und heimlich über eine lange Zeit verliebt. Scheint ja etwas einseitig zu sein, aber es ist vielleicht besser so. Wenn ich sie nicht sehe, fehlt sie mir. Das ist schon lange so. Sie soll nicht denken, es sei neu. Das ist es nicht.

Wenn sie lächelt oder grinst, dann geht die Sonne auf wie aus einem grauen bitteren Albhimmel, wenn die Wolken aufreissen, wenn die Nebel ziehen und wenn die goldenen Strahlen einer Oktobersonne in Tautropfen und in Spinnweben funkeln. Wenn sie strahlt, so sieht das aus wie Juni im Dezember. Ich strahle innerlich mit, ich bin hingerissen. Stop.

Wenn Tote heim kommen

Eine Geschichte bei einem Hausbesuch:
das "Bäsle", wie man bei uns sagt, hatte einen schwer kranken Ehemann. Sie kamen in die Jahre, und er war oft im Krankenhaus, oft schon in Lebensgefahr gewesen. Sie hatte nie viel von ihren Gefühlen zeigen können, eher ein Kopfschütteln und ein etwas aufgesetzt wirkendes Lachen. Als es bei ihrem Mann ans Sterben ging, begab sie sich ins Krankenhaus und drängte darauf, dass er jetzt sofort nach Hause kommen solle zum Sterben. Ihr Begehren war erfolgreich. Noch heute, viele Monate später, erzählt sie allen Verwandten, sie sei eine frohe Witwe, weil sei so glücklich sei, dass sie ihren Mann habe bei sich sterben lassen können. Ja, sie solle doch in Schwarz trauern und nicht so fast unverschämt fröhlich sein. Bei ihrem letzten Gespräch mit meiner Patientin meinte sie aber, es sei an der Zeit, jetzt könne er ruhig auch einmal wieder heim komen.
Das ist Trauer auf der Schwäbischen Alb, karg, herb, aber doch auch irgendwie schön!

Die Rippe Adams

"Das Ripp", das Weib. Eine christliche Lehre und laut einem Rabbiner, dem ich zugehört habe, eine Fehlübersetzung. Im Hebräischen wird Eva aus der Seite des Mannes geschaffen. Daher bedeuten Adam und Eva dann ganz natürlich zwei Seiten eines ganzen Wesens. Ein nicht verheirateter Jude könne nie ein ganzes Gemeindemitglied sein.

So viel Missverständnisse, Feindschaft, Erniedrigung und Erlösungsbedürnis auf Grund eines Übersetzungsfehlers? So viel Verstümmelung, Folter, Grausamkeit und Morde, so viele Qualen, solches Elend? Ich denke dabei an die Hexenprozesse.

Ich benenne auch die Ehezombies, die Untoten in den schönen Neubauten. Ich beschwöre die Selbstverwirklichungspaniker, die geopferten Kinder.
Ich male den stummen kleinen täglichen Tod an die Wand, die Seelengefängnisse, die unerfüllten Träume, die ungehörten Gedanken, die Gebete der Verlassenen, die Tränen der Trauernden.

Denk an die dumpfe Weitergabe einer Auffassung, die die Frau unter dich als Mann stellt, nur damit du dich nicht vor ihr fürchten musst? Was ist das für eine jämmerliche Geschichte.
Es ist doch die gleiche Geschichte einer geistigen Verarmung, die Geschichte von Bildersturm, Bücherverbrennung, Ächtung, Inquisition, die Jammertal-und- Jenseits - Geschichte.

Die Übersetzer müssen schön frustriert über ihren Weinhumpen gehangen haben.Der grosse Vater hat es auch nicht ändern wollen, wenn er doch die vielen schwarzen Männer in einsamster Enthaltsamkeit unterworfen gefangen halten will. Diener zwischen Welten....

Vielleicht ist es ja nicht nur wegen der Übersetzung. Mann und Frau sind eben doch zwei verschiedene Seiten dieses "Wesens" Mensch.

Von dem Augenblick an, in dem aus zwei drei werden, erfüllt sich die primäre Aufgabe der Zweisamkeit, es kommt zu einer Verteilung von Aufgaben, die alle dem Dritten dienen, dem "Kind". Während dieses Prozesses kommt es zu den tiefgreifendsten Verwirrungen, Mitteilungsstörungen, Selbstverständniskrisen und Überforderungssituationen aller Art für die Seiten Eins und Zwei.

Es ist tragisch, wenn in eben diesem spirituellen Umbau nichts weiter einfällt als verächtliche Zoten aus einem so durch einen Übersetzungsfehler erlernten überheblichen Selbstverständnis des Mannes.

"Das Ripp" war schuld. Nicht die Schlange auch? Der süsse Apfel der Lust? Wer hat gegessen?

Schlaft schön. Es ist spät geworden. Aber hört immer genau zu. Misstraut Übersetzern.

Freiheit

"Alterius non sit qui suus esse potest"

Wahlspruch des Paracelsus


(Eines anderen Untertan sei nicht wer sein eigener Herr sein kann)