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Friday, March 23, 2007

Children of Men

Childen of Men

Der Film war beeindruckend konsequent, das UK ein Chaos, Müllhalden, brennende Rinderkadaver, Schulruinen, „fugees“ in Käfigen, Erschießungskommandos, staatliche Paranoia, Gesetzlosigkeit, Konzentrationslager, und nach anhaltenden Kriegen eine weltweite Unfruchtbarkeit und Kinderlosigkeit. Die Trauer ist global zu spüren. Eine Frau entkommt mit ihrer neugeborenen Tochter in die Hoffnung auf ein neues Leben.

Wie weit davon ist die Wirklichkeit, diese dünne Schicht gesteuerter Wahrnehmungsebenen?

Hier gibt es immer mehr gesunde und kranke alte Deutsche. Die gesunden Alten sollen arbeiten, bis ihnen der Sargdeckel auf den Kopf fällt. Die kranken Alten werden wirtschaftlich versorgt.

Schön, dass wir sie noch am Leben lassen.
Ich bin nächsten Monat 57.

Früher hat man das bei uns anders gemacht. Grafeneck ist ganz nahe, ein übler Fleck in der Geschichte. Hinter Kostenrechnungen und bürokratischen
Regelungen steckt eine zunehmend autonomere und unkontrollierte Verwaltungstechnokratie, die wie ein Riesenkrake alles verschlingend überall lauert. In dieser entmenschlichten Sphäre vermeine ich neben Mozarts Kleiner Nachtmusik und Beethovens Eroica ein wenig Hiphop, Rasta und chillout Musik zu hören, dahinter Schreie, ersticktes Gurgeln, Seufzen, Wortfetzen wie „entartet“, lebensunwert“, „gemeinschaftsunfähig“. Die höflichen Angestellten, die diese Kulisse verwalten, schreiben Briefe an beidseits oberschenkelamputierte Schwerstkranke: „Sie haben kein Recht zu gehen.“

Wenn ich wahrhaftig leben will, so muss ich mich jeden Tag mit meiner Verletzlichkeit auseinandersetzen, mit meiner Nacktheit, mit werden und vergehen. Erst dann bin ich frei für Wahrnehmungen außerhalb meiner selbst. Erst dann habe ich meine Gutenachtgeschichte verdient.

Altern ist nicht nur schön, Schmerzen, Auflösung, üble Gerüche, Trauer. Aber der zunehmende Hormonabfall macht Raum zwischen den Schleiern der Maja, zwischen den heftigen Anfällen von Verlangen, und wir sehen wieder mehr, besser, andere Konturen können hervor treten, Gewichtungen fallen weg, der Kopf wird freier.

Der Kurs „Palliativmedizin“ ist so ein typisch deutscher Ansatz. Mein Kollege M. hat recht. Kann in einem Fachgespräch die Befähigung zur Sterbebegleitung geprüft werden? Im UK heißt das „palliative care“, care!
Wir brauchen alle Ärzte geschult im Umgang mit Schmerztherapie und Schmerzpumpen und mit medikamentöser Sterbebegleitung, wenn diese notwendig werden.

Ich soll 25 Patienten aus den letzten 5 Jahren schildern, bei denen solche Maßnahmen nötig wurden. Es ist eine Geschichte des eigenen Versagens, eine Geschichte verlorener Kämpfe, es ist auch eine Geschichte von Erlösung.
Die 6 Kurstage haben angeregt, getröstet und selbstkritisch gemacht.

Am schlechtesten konnte ich den Patienten helfen, die Wände und Wände aus Schweigen um sich errichtet hatten, deren Verwandte Wand um Wand zogen, Menschen, die den Krebs, den Schmerz und den Tod bis zuletzt verleugneten. Wie soll ich denen helfen? Ich weiß es auch nach diesem Kurs nicht. Ich fühle mich hilflos.
Gibt es einen Weg um die Wand herum?
Es soll doch immer mindestens 3 Wege geben: stehen bleiben, durch die Wand, um die Wand herum?

Wo ist heute meine Gutenachtgeschichte?